Wer mich privat kennt weiß, Weihnachten ist für mich immer Zeit zu reflektieren. Es gibt an Freunde und Familie jeweils eine Mail mit Dingen und/oder Themen, die mich bewegt haben. Warum also nicht auch etwas für euch. Sozusagen ein Abschluss des Jahres.
Auch wenn ich dieses Jahr so wenig wie selten zuvor in Weihnachtsstimmung bin, freue ich mich doch sehr auf die kommenden Tage. Die sind Feiertage immer etwas ganz besonderes für mich.
Seit ich eine eigene Wohnung habe, steht in meinem Wohnzimmer auch immer ein Weihnachtsbaum. Egal wie klein er ist und egal, dass ich an Heilig Abend nie zu Hause bin. In diesem Jahr habe ich es irgendwie nicht fertig gebracht, irgendwas zu schmücken. Fühlte sich nicht so an, obwohl ich sonst jedes Jahr total scharf darauf war. Eigentlich hatte ich auch überlegt, keinen Weihnachtsbaum aufzustellen. Und dann kam mein Mann eines abends mit dem Bäumchen in der Hand an. Und nun freue ich mich, dass er hier steht. Der 11. eigene Weihnachtsbaum.
Manchmal kommt es mir skurril vor, einen Feiertag zu feiern, der für mich eigentlich keine Bedeutung haben müsste. Denn ich bin nicht gläubig. Bereits mit 13 Jahren hatte ich eigentlich mit der Kirche abgeschlossen und wollte austreten. Letztlich habe ich das, mit Erfahrungen im Gepäck, die keinen anderen Schluss zuließen, erst mit Anfang 20 getan. Die Kirche hat keine Bedeutung für mich, außer vielleicht eine kulturell-historische. Der Glaube hat ebenfalls keine große Bedeutung für mich, auch wenn er mich natürlich einen Teil meines jungen Lebens begleitet hat, wie wahrscheinlich so viele. Das Christentum ist nun mal verankert in Deutschland.
Faszinierend finde ich dann immer, ein christliches Fest zu feiern, dessen Ursprung mir in der Tiefe meines Herzens eigentlich nichts bedeutet. Macht man aber halt so, weil es ganz Deutschland so macht. Ist doch schon irgendwie merkwürdig, oder?
Und trotzdem mag ich Weihnachten. Ich mag nicht den Stress, der drumherum gemacht wird. Ich mag keinen Druck, irgendwelche Geschenke zu besorgen. Ich mag nicht den Feiermarathon, der immer noch ins endende Jahr gepackt wird. Aber ich mag die Zeit mit meiner Familie. Während das bei anderen scheinbar immer Stress bedeutet, liebe ich diese gemeinsamen Tage.
Jahrelang bin ich am 23. Dezember zu meinen Eltern gefahren. Ich wollte auch den Abend davor nie noch irgendwelche Freunde treffen. Auch am 24. wollte ich niemanden treffen. Ab dem Tag vor Heilig Abend war für mich Familienzeit. Einstimmen auf eine ruhigere Zeit. Ich schmücke in jedem Jahr den Weihnachtsbaum bei meinen Eltern, am liebsten gemeinsam mit meinem Bruder. Auch heute noch. Ich glaube nicht, dass das irgendwem anderes noch wichtig ist, aber mir bedeutet es einfach viel.
In den vergangenen Wochen wurde ja viel über diese Edeka-Werbung diskutiert. Ich hatte schon wieder vergessen, für welche Firma diese Werbung war, aber im Grunde ist mir das auch gleich. Es geht um den Inhalt. Es geht darum, dass alle Familienmitglieder dem alternden Opa/Vater die Teilnahme an Weihnachten absagen, weil sie anderes zu tun haben. Dem Opa/Vater steht also einem einsamen Weihnachtsfest zu Hause bevor. Er täuscht dann seinen Tod inkl. Todesanzeige vor und plötzlich machen sich sämtliche Familienmitglieder auf dem Weg zu seiner Wohnung. Wo er lebendig steht und damit seine Familie zusammenführen konnte.
Mich persönlich hat der Inhalt sehr berührt. Denn für mich ist die Familienzeit der Kern der Weihnachtstage. Leider habe ich keine Großeltern mehr. Doch gerade in den vergangenen Tagen habe ich viel an meine Oma gedacht, die im November 2012 gestorben ist. Wir standen uns wahnsinnig nahe und noch heute vermisse ich sie sehr. Es macht mich traurig, dass sie die Mini-Mainzerin nie kennengelernt hat, obwohl ich glaube, dass die beiden ein Knaller-Team gewesen wären. Es macht mich traurig, ohne sie Feiertage und sonstige Ereignisse erleben zu müssen. Ich habe mich bemüht, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Unstrittig ist aber natürlich auch: egal, wie viele Tage mehr ich noch mit ihr verbracht hätte, ich würde sie heute genauso vermissen.
Aber in der Aussage dieser Werbung geht es meiner Ansicht nach auch um Respekt. Respekt vor dem Zusammensein. Niemand sollte alleine sein müssen, obwohl er es nicht möchte. Manchmal sind wir in unserem eigenen Leben so eingebunden, dass wir die Bedürfnisse andere, uns nahestehender, Menschen übersehen. Manchmal kostet es – da müssen wir ehrlich sein – auch Kraft, immer jedem gerecht werden zu müssen / wollen. Aber einmal im Jahr kann es doch einen Grund geben, das gemeinsame Dasein als oberste Priorität zu sehen. Natürlich wird es immer Gründe geben, warum es mal nicht geht. Auch unsere Familie ist in diesem Jahr aus nachvollziehbaren Gründen nicht komplett. Aber es geht ja nicht um das „um jeden Preis“, sondern um das eigentliche „Wollen“.
Es gibt sicherlich so viele Menschen, die niemanden haben. Menschen, die auf der Straße leben und an Heilig Abend eine leere Stadt erleben, ohne selbst einen Zufluchtsort zu haben. Das Wissen darum, bricht mir jedes Jahr wieder das Herz. Um so dankbarer möchte ich dafür sein, dass ich eine liebende und herzliche Familie habe. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich immer mit offenen Armen empfangen werde. Und ich bin dankbar dafür, dass wir als gesamte Familie so harmonisch funktionieren.
In diesem Jahr sind hunderttausende Menschen in unser Land gekommen. Für viele von ihnen hat Weihnachten wahrscheinlich überhaupt keine Bedeutung. Und doch tut mir leid, dass sie die Weihnachtszeit in mitunter traurigen Umgebungen verbringen müssen. In einem Land, das sie nicht kennen. Umgeben von Menschen, die sie nicht kennen. Mitunter in Gedanken an Familien, von denen sie getrennt wurden oder die vielleicht gar nicht mehr leben. Keine Chance auf ein gemütliches Wohnzimmer, mit allen Menschen zusammen, die sie lieben. Stattdessen in einem Wohncontainer mit Blick auf eine ungewisse Zukunft.
Und gerade weil es mir so gut geht, weil ich meine liebende Familie im Hintergrund habe, wird es meine /unsere Aufgabe im kommenden Jahr sein, genau diesen Menschen Hoffnung zu geben. Auf ein sicheres und vor allem auch selbstbestimmtes Leben in unserem Land. Damit sie – auch ohne einen christlichen Glauben – im kommenden Jahr ebenso schöne und gemütlich Feiertage im Kreise von Menschen, die ihnen wichtig sind, verbringen können.
Was ich euch mit all dem sagen möchte? Atmet einmal tief durch und denkt darüber nach, für was ihr alles dankbar sein könnt. Denn nichts von alledem ist selbstverständlich. Auch wenn es manchmal so scheint. Genießt jede Stunde mit den Menschen, die euch wichtig sind – ist ja egal ob Familie oder Freunde. Unabhängig vom Alter, nehmt es nicht einfach hin, dass sie ja immer für euch da sind. Auch wenn ihr (wie wir) ein wenig rumfahrt, versucht da zu sein, wenn ihr da seid. In dem Moment.
Ich wünsche euch von ganzem Herzen alles Liebe. Egal wo ihr seid, ob und wie ihr feiert oder an was ihr glaubt. Nutzt die Zeit, um nachzudenken, um dankbar zu sein und einen Gang runterzuschalten. Und macht es euch so, wie ihr es gerne haben möchtet.
Wir lesen uns dann wieder im neuen Jahr. Denn ich werde jeden einzelnen Tag bis ins neue Jahr mit meiner großen und kleinen Familie genießen.
Frohe Weihnachten und einen wunderbaren Start in das Jahr 2016!